Wettbewerb denkmalgerechter Neu- und Umbau zur Stadtbibliothek Perleberg
Öffentliche Gebäude, Stadtbibliothek, Veranstaltungssaal
Baujahr Bestand 1856, 1860
Wettbewerb 2019
BGF 650 m2
Lageplan Marktplatz Perleberg
Entwurfskonzept
Das Entwurfskonzept sieht ein Ensemble aus drei Gebäuden vor, dem denkmalgeschützten ehemaligen Wohn- und Geschäftshaus am Markt 10, dem ebenfalls denkmalgeschützten ehemaligen Kinosaal sowie einem eingeschossigen Neubau als Bindeglied der bestehenden Gebäude. Die vom Auslober gewünschten Funktionen Bibliothek/ Touristeninformation auf der einen und die vielseitigen kulturellen Nutzungen des ehemaligen Kinosaals auf der anderen Seite werden mit diesem Neubau räumlich und funktional möglich gemacht.
Vorderhaus
Das Gebäude am Markt 10 umfasst im EG die Touristeninformation mit den dazu-gehörigen Präsentationsflächen, die Ausleihe der Bibliothek, sowie einen Bereich für Garderoben und Schließfächer. Der Haupteingang liegt zentral zwischen den beiden Schaufenstern am Markt. Im rückwärtigen Teil der Etage liegen das Büro der Biblio-theksangestellten sowie ein weiterer Raum für die Vorbereitung der Stadtinformation. Das dazugehörige Lager befindet sich, verbunden über eine interne Treppe, im UG des Gebäudes. Weitere Lagermöglichkeiten, die Mitarbeitertoiletten sowie die notwendigen Technikräume befinden sich ebenfalls im Untergeschoss.
Aus städtebaulichen, denkmalrechtlichen und funktionalen Gründen wird der Einbau eines innenliegenden Aufzuges vorgeschlagen und um damit die barrierefreie Er-schließung zu ermöglichen. Die Höhenunterschiede zwischen dem Vorderhaus, dem Markplatz und dem Foyer werden über Rampen ausgeglichen. Im Saal ermöglicht ein Hublift, die barrierefreie Überwindung des Höhenunterschiedes zum Ausgang der Schuhstraße. Der Außenraum entlang der Ostfassade erlaubt es ebenfalls über eine Rampenanlage barrierefrei das Foyer zu erreichen.
Aus dem Eingangsbereich bzw. der Stadtinformation gelangt man in den Flur zur denkmalgeschützten Treppe, die hinauf in die eigentlichen Räume der Bibliothek führt. Das erste OG nimmt dabei die Abteilung Belletristik / Fachliteratur auf. Leitge-danke für den Entwurfsprozess war das Herausarbeiten des ursprünglichen Grund-risses. Verbunden über die zu sanierenden zweiflügeligen Türen ergibt sich die Möglichkeit eines Rundgangs durch die Etage.
Die einzelnen Räume werden zur Erhaltung eines altbaugerechten Gesamteindruckes eher sparsam möbliert. Regale für Bücher befinden sich freistehend an den Wänden, um die Wirkung des Altbaus erlebbar zu machen. An den Fensterfronten zum Markt befinden sich Lese/ PC -Plätze. In Raummitte laden bequeme Sitzgelegenheiten zum Verweilen ein.
Das 2.OG nimmt die Jugendbibliothek auf. Durch eine modernere Möblierung der Sitz- und Verweilmöglichkeiten, sowie eine verstärkte Ausrichtung auf die digitalen Medien sollen diese Räume auf die Bedürfnisse der jugendlichen Nutzer eingehen, aber gleichzeitig die Besonderheit des Gebäudebestandes erhalten.
Das Dachgeschoss, sowie der ausgebaute Spitzboden nehmen die Kinderbibliothek auf. Hier besteht in unterschiedliche Zonen, z.B. dem Stuhlkreis für gemeinsam Le-sungen, dem Recherchebereich, der „Lesehöhle“ als Rückzugsort zum Entspannen, sowie der höhergelegenen Abenteuerempore zum Lesen und Spielen, die Möglichkeit Kindern das Thema Lesen näher zu bringen.
Die vorhandenen Fenster im Drempel werden über wenige Dachflächenfenster auf der Südseite, sowie zwei Gauben auf der Marktseite ergänzt. Über die Gauben an der Markseite besteht die Möglichkeit das Dachgeschoss über den 2. Rettungsweg zu entfluchten. In allen Etagen des Vorderhauses ist ein großformatiger Holzdielenboden geplant. Das Sanieren bzw. Wiederherstellen von altbaugerechten Elementen wie z.B. Fens-tern, Fußleisten und Stuckdecken wird empfohlen.
Saal
Der alte Kinosaal, bleibt in seiner großzügigen Form vollständig erhalten und wird durch neue Fensterformate an der Ostseite zusätzlich mit Tageslicht versorgt. Im Verlauf der Ostfassade des Saals werden die alten Fensteröffnungen im EG aktiviert, Fensterbrüstungen herausgebrochen und bodentiefe Fenster eingebaut. Provisorisch geschlossene Fenster werden fachgerecht ausgemauert, an der Nordseite neue Fensteröffnungen ergänzt.
Die vorhandene Stuckdecke des Saals sowie die Empore werden saniert. Auf der Empore lädt eine neue Ebene zum Verweilen ein und kann für kleinere Lesungen genutzt werden. Zwei festinstallierte Reihen der Original Kinobestuhlung dienen als Reminiszenz an die ehemalige Nutzung des Saales
Große abgependelte Rundleuchten sowie regelmäßig platzierte Wandstrahler, bieten je nach Nutzung die Möglichkeiten für verschiedene Lichtszenarien. Die Farbge-staltung der Wandflächen orientiert sich am Farbspektrum des Altbaus und ist in Rottönen gehalten. Die Stuckdecke wird in hellen Farben gestaltet.
Die im Bestand vorhandene geneigte hölzerne Bodenfläche wird durch eine neue waagerechte Bodenplatte ersetzt. Diese nimmt das Höhenniveau der Eingangstür im Norden auf. Auf der Südseite dient eine neue freistehende Wand als Projektions-fläche. Die alte Leinwandeinfassung soll in Ihrer
Form erkennbar bleiben. Auf beiden Seiten führen kleine Treppenanlagen zum Aus-gang. Die beiden ehemaligen WC- Räume können für die Bühnentechnik und als Abstellräume genutzt werden.
Unterhalb der Empore entsteht auf der Westseite ein Raum für den Cateringbetrieb, in dem Zubereitungs- aber auch Spülmöglichkeiten untergebracht werden können. Verbunden über Türen zum Foyer und zum Saal liegt der Cateringbereich an zentraler Stelle.
Neubau
Der scharfkantige Baukörper passt sich in seiner Größe, Formensprache und Mate-rialität der Nebengebäude der ortstypischen Umgebung an. Der Verzicht auf sichtbare Dachüberstände und Entwässerungselemente unterstreicht dabei eine moderne, reduzierte Architektursprache.
Durch die Winkelform im Grundriss des Gebäudes wird ein kleiner Hof gebildet, der gleichzeitig mit einer großzügigen Fensterfront die Eingangssituation des Foyers für Besucher bietet. An der Nordseite ist das Gebäude von der Fassade des Gebäudes „am Markt“ abgerückt, um den darin befindlichen Büroräumen eine natürliche Be-lichtung zu ermöglichen. Über einen schmalen, seitlich verglasten Verbindungsgang, werden beide Gebäude miteinander verbunden. Durch ein großes Oberlicht wird das Foyer zusätzlich mit Tageslicht versorgt.
Der Neubau ist in massiver Bauweise aus einer wärmegedämmten, zweischaligen Mauerwerkskonstruktion mit einer Fassade aus rötlichen Verblendsteinen, ähnlich dem Bestandsmauerwerks des Saals geplant.
Die Dachkonstruktion des Pultdaches ist klassisch in Holzbauweise geplant.
Die Dachfläche ist mit roten Ziegeln gedeckt, die farblich mit der Fassade des Neu-baus und des Saals korrespondieren. Die sichtbaren Abbruchstellen an der Nord- und Nord/Ostseite der Mauerwerksfassade des Saals werden durch einen rötlich eingefärbten Putz saniert und machen damit die Geschichte des Gebäudes erkenn-bar. Die Farbgebung des Putzes stellt farblich gleichzeitig eine Verbindung mit der Rückfassade des Haupthauses am Markt dar. Das im Außenbereich verlegte Kopf-steinpflaster zieht sich auch in den Innenraum des Foyers. Entlang der östlichen Grundstücksgrenze markiert eine Baumreihe den Weg zum Eingang des Foyers.
Der Neubau nimmt neben der Funktion des eigentlichen Foyers, mit einem Multi-funktionstresen für das Catering oder einen optionalen Ticketverkauf auf. Darüber hinaus befinden sich im Neubau an zentraler Stelle ein Stuhllager und sämtliche sa-nitäre Anlagen- sowohl für die Gäste der Bibliothek und des Veranstaltungssaals, sowie die öffentliche, barrierefreie WC-Anlage. Eine neue Treppe entlang der Brandwand führt vom Foyer auf die Empore des Saales und schließt an die erhal-tenswerten Fragmente der ehemaligen denkmalgeschützten Treppe an.
Das Foyer kann neben den klassischen Funktionen gleichzeitig als Treffpunkt für verschiedene Nutzergruppen ( z.B. Seniorentreff, Treffpunkt für Besuchergruppen der Bibliothek o.ä. ) genutzt werden.
Energetische Sanierung
Die Sanierung der Gebäude soll den EnEV-Anforderungen unter Berücksichtigung denkmalpflegerischer Belange entsprechen. Grundsätzlich sind für das Vorderhaus und den Saal keine Außendämmungen abgesehen vom Dach vorgesehen. Die Fenster und das Dach werden gem. EnEV aktuellem Stand erneuert. Bauphysikalisch werden zur Einhaltung des Mindestwärmeschutzes kritische Wärmebrücken überprüft und ggf. durch Einsatz von Innendämmungen nach denkmalrechtlicher Abstimmung sensibel ertüchtigt. Der Zwischenbau wird gem. aktuellem Stand der EnEV errichtet. Grundsätzlich sollen nachhaltige, ökologische Materialen zum Einsatz kommen. Die Verwendung nachwachsender Rohstoffe stellt in Bezug auf die Herstellungsenergie und den CO2 Ausstoß einen deutlichen Vorteil gegenüber industriellen Materialien dar. Die Energieversorgung wird energieeffizient im Rahmen eines Energiekonzepts geplant. Die Räume werden natürlich belüftet, einzig der Saal erhält nach Bedarf eine mechanische Lüftungsanlage, kann jedoch auch über die geplanten Fenster belüftet werden.